"Merci, es war wunderschön", verabschiede ich mich im Foyer des Theaters an der Winkelwiese von dem bekannten Schauspieler. Thomas Sarbacher
unterhält sich noch mit einem Zuschauer. Schade, sonst hätte ich ihn gerne persönlich kurz gesprochen.
Zwei Stunden lang bin ich mit Odysseus, Sohn des Laertes, mit Odysseus, dem Listigen, auf seiner Irrfahrt gewesen. Unmengen an Göttern,
Halbgöttern und Sterblichen sind mir erschienen. Über allem die sonore, in ihren Bann ziehende Stimme des lesenden Schauspielers Thomas Sarbacher. In moderner Sprache berichtet Odysseus von
seinen Abenteuern, in Ich-Perspektive, mit herrlichen Wortbildern ("Ruder, die Flügel der Schiffe") - und mit einer ordentlichen
Prise Humor.
Immer schon hab ich sie geliebt, die griechischen Götter- und Heldensagen. Den dicken Schmöker besitze ich immer noch. Und seit Wolfgang
Petersens monumentalem "Troja" hat Achilles bei mir Gesicht und Körper von Brad Pitt, verehre ich Hector mit den sanften, braunen Augen des Australiers Eric Bana und musste ich verinnerlichen,
dass der kluge Odysseus leider gegen meine Trojaner kämpfte - denn er steckte im Holzpferd.
In dieser Welt der Helden, schönen Frauen mit wunderbaren Locken (wie gehört), der verkleideten Götter, der Abenteuer und Tragödien bin ich
heute auf dem schwarzen Schiff des Odysseus mitgesegelt. Vorbei an den betörenden Gesängen der Sirenen, ich war in Kirkes und der Nymphen Schloss, ohne in ein Schwein verwandelt zu werden, durfte
den Hades unversehrt verlassen und habe Sisyphos bedauert.
Nach gut zwei Stunden des Vorlesens hat Odysseus nun nach dem Willen der Götter - und im besonderen natürlich des Zeus - auf grausame
Weise seine komplette Mannschaft und auch sein Schiff verloren, allein treibt er nun auf einem Stück Holz im
Ozean. Und ich muss warten bis zum 5. Dezember, um die Abenteuerreise fortzusetzen.
"Merci, es war wunderschön." Thomas Sarbacher lächelt und deutet eine Verbeugung an. Noch lange bedaure ich, dass ich kein Foto von ihm
gemacht habe, wie er da vorhin hinter der Bar stand und von seinen vielen Blättern vorgelesen hat, die Arme auf der Theke ausgebreitet, die Stimme virtuos die Odyssee interpretierend. Bei Zeus,
wie schön, dass diese Irrfahrt weitergeht.
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