Prolog: Ouvertüre mit Pauken und Trompeten
Punkt 19 Uhr MESZ ist es soweit: Die ASI-Wandergruppe „Sierra de Tramuntana Ostern 2006“ trifft sich zum ersten Mal. Ort: Caprichio-Bar im Hotel Riu Bonanza Palace, Illetas auf Mallorca.
Protagonisten:
Der Wanderführer
Die Paare
Die Singles
Nebendarsteller:
Atmosphäre: Rote Plüschsofas, schummriges Licht, klopfende Herzen als der Wanderführer zum ersten Mal das Wort an seine 20köpfige („Bauer“ fehlt) Wandergemeinde richtet:
„Buenas tardes. Ich bin der Gschnaller-Gerhard aus Tirol und Ihr müsst zwei Dinge wissen:
1. Wandern mit mir ist kein Vergnügen!
2. Ihr habt Bergwandern gebucht und keine Wanderferien! Wir wandern auf den Galatzo, den Teix, den Masanella und den Llubre. Es gibt etwas, da versteh ich keinen Spass, da bin ich beinhart: Ich nehme nur Leute mit, die knöchelhohe Wanderschuhe dabei haben. Habt Ihr alle knöchelhohe Wanderschuhe dabei?“
Erschrockenes Schweigen. Kurzes Herzrasen. Jeder vermisst nun im Geiste die Höhe seiner Wanderschuhe und seufzt schliesslich erleichtet auf … bis just zu jenem Moment als ein lauter Ruf aus der rechten, dunklen, hinteren Ecke ertönt und eine männliche Stimme verkündet: „Nein, wir haben keine knöchelhohen, aber sehr gute Wanderschuhe dabei, mit denen wir schon oft in Südtirol wandern waren.“ Stille. Gefolgt von Tiroler Donnerwetter: “Das interessiert mich nicht. Da bin ich beinhart. Entweder Ihr besorgt Euch ordentliche Wanderschuhe oder Ihr wandert mit mir nicht mit.“ Allgemeines Luftanhalten bis zum Gegenangriff aus der rechten Ecke, dieses Mal ausgeführt von einer weiblichen Stimme: „Aber unsere Schuhe sind perfekt. Und niemand hat uns gesagt, dass wir knöchelhohe Wanderschuhe brauchen, ich habe das nur als optional und nicht als zwingend erforderlich verstanden, deshalb haben wir keine dabei.“ Das Publikum bewegt sich nun auf dem schmalen Grat zwischen Hoffen (dass dieses Schauspiel weitergehen möge) und Bangen (mit der jeweils favorisierten Partei), fasziniert von dem unerwarteten, sehr unterhaltsamen Schlagabtausch und eigenartig berührt von der grotesken Szene, die eigentlich nicht auf die ganz grosse Bühne gehört. Jedenfalls verlässt niemand den Ort des Geschehens, sondern lauscht gebannt der Gegenabwehr des Mannes aus Tirol: „Das interessiert mich nicht – kauft’s Euch ordentliche Wanderschuhe, oder Ihr bleibt hier.“ Gegenangriff: „Aber wo sollen wir am Samstagabend vor Ostern noch Wanderschuhe herkriegen? Ausserdem hat uns das niemand gesagt …“ Und der Tiroler Dolchstoss: „Ihr geht dann und nur dann mit, wenn Ihr ordentliche Wanderschuhe habt.“
Irgendwann nimmt auch dieses Schauspiel sein Ende, und das Wandergrüppchen verlässt mehr oder weniger (mas o menos) irritiert den Ort des Geschehens. Einige verschwinden direkt auf ihr Zimmer. Andere müssen den Schrecken noch bei einem Glas Wein verarbeiten. Wohl alle gehen mit gemischten Gefühlen ins Bett und harren der Dinge, die da kommen mögen.
… ausser einem, und das ist Stefan: Er träumt in dieser Nacht von Dolores, der Hotelmanagerin, die bei der Begrüssung neben dem Gschnaller-Gerardo gestanden und süss
gelächelt hat. Ihre Worte waren, dass sie will, dass es allen Teilnehmern nicht nur gut, sondern sehr, sehr gut gehen soll …
Tag 1: Der Berg ruft
Oder: Caramba, Caracho, ein Espresso …
Unausgeschlafen und nervös versammelt sich die Mannschaft zum ersten Mal im frühmorgens vorzeitig aufgesperrten Speisesaal zur gemeinsamen Nahrungsaufnahme. Bananen als primärer Energiespender, aber auch belegte Brötchen werden eingepackt – geht man doch davon aus, dass es einen nicht unbedeutenden Kohlehydratbedarf geben wird, wenn man länger mit dem Gschnaller-Gerhard unterwegs ist. Das vorabends beherrschende Thema Nr. 2 (nach der knöchelhohen Wanderschuh-Affäre) war die Frage, wo man bittschön am Ostersonntag sein Wasser herkriegen solle … aber dem Tiroler war es gelungen, alle aufkommende Panik im Keim zu ersticken, indem er auf eine gemeinsame Aqua-Shopping-Tour in St. Elm vertröstet hatte.
Aufatmen dann, als auch Gaby und Gerhard nicht nur erscheinen, sondern vom Tiroler Bergführer auch in den Bus gelassen werden – es steht ausser Zweifel, dass sie es geschafft haben, am Ostersamstag in Palma gescheites Schuhwerk aufzutreiben. Frisch und frank klettern somit alle (bis auf „Bauer“, der fehlt) in den Bus, und einer der schlechtbezahlten Chauffeure steuert die Mannschaft ins malerische Fischerörtchen St. Elm.
Die Tour startet gemächlich und verläuft ohne nennenswerte Zwischenfälle – hoch zum Trappistenkloster und anschliessend weiter mit traumhafter Sicht auf die Insel La Dragonera. Als nach 4 1/2 Stunden Wanderung der Bus wieder erklommen wird, ist die Stimmung dem Tag und Wetter entsprechend bereits gut. Zwei Stunden und etliche Runden Rioja-Caracho später in Andratx, ist nach Meinung des Gschnaller-Gerhard die Stimmung allerdings bereits so, wie sonst erst am 4. Tag einer (Berg-) Wanderreise. Dazu folgender Fall:
Die Wandergruppe wurde bei schönstem Wetter, im Freien auf einer malerischen Terrasse sitzend, in einem Andratxer Restaurant bestens verpflegt und mit Rioja abgefüllt. Das Mahl endet in Spanien immer mit einem Kaffee, der in diesem Lokal nach Aussage des Tirolers aber mit „Caracho“ veredelt werden muss. So schleicht der Gschnaller-Gerhard mit einer Flasche bewaffnet um die beiden Tische herum und zielt einhändig und mit Caracho auf jede Espressotasse. Die Szene erinnert entfernt an „Dinner for One“ was die Zielkonzentration angeht, bloss dass hier kein Englisch, sondern ein waschechtes Hochdeutsch zu hören ist.
Der Tiroler ist’s zufrieden mit seiner Wandergruppe und nimmt das Stimmungshoch wohlwollend zur Kenntnis. Es folgt der Witz des Tages: „Treffen sich zwei Tiroler nach vielen Jahren …“
Tag 2: Gazpacho zum Frühstück
Oder: Schau ihm nie in die Augen, Kleines
Vorbei an einem berühmten Reitstall, wo die besten Pferde von Mallorca eingeritten werden und mit Blick aufs Hippodrom steuert der Bus ohne Caracho in den Norden. Die erste Bergetappe steht an: der Galatzo, das Matterhorn Mallorcas wie’s im TUI-Prospekt vermarket wird (sicher eine Wortschöpfung von diesen ASI-Produktmanagern).
Wetter bedeckt, was beim Aufstieg nicht unangenehm ist. Es geht hoch und über Stock und Stein. In einer Höhe von ca. 900 m entschliesst man sich schliesslich, ein Basislager knapp unterhalb des Gipfels aufzuschlagen. Eine Splittergruppe von 5 Personen bleibt schutzlos, unbewaffnet und ohne Sauerstoffmasken zurück. Genau genommen splittert eine weitere Ein-Mann-Gruppe ab, denn (Ilses) Wolfgang erkundet und fotografiert im Umkreis von 100 m2 jedes Pflänzchen - ist er doch beglückt von diesem Geschenk des Tirolermanns, ca. 90 Minuten zur freien Verfügung zu haben!
Pünktlich tauchen die Gipfelstürmer wieder auf, die Splittergruppe reiht sich im Reissverschlussverfahren ein und im Gänsemarsch geht’s ab talwärts. Unterwegs erfährt man dann die gar grausige Geschichte von der tapferen Barbara, die am Gipfel ausgerutscht ist und vom Tirolermann am linken kleinen Finger aufgefangen und gehalten wird, während er mit der anderen Hand noch schnell die Kippe im Schnürsenkel versorgt.
Doch beim Abstieg im nebeligen Dickicht ereignen sich weitere dramatische Beinah-Unfälle: Barbara strauchelt ein zweites Mal, bleibt jedoch wie durch ein Wunder
unverletzt. Eidgenosse Herbert rutscht im feuchten Schilf aus und zieht sich Schnittwunden ersten Grades an seinem linken Arm zu. In letzter Sekunde verhindert dann der Gschnaller-Gerhard, dass
auch noch Elke ein Unglück passiert. Folgender Fall:
Während Barbara ihre Schmerzen tapfer aushält, schenkt Gatte Stefan seine volle Aufmerksamkeit der holden Elke. Beide plappern munter drauflos. Irgendwann kommt, was kommen muss, der Berg-GAU: Elke guckt Stefan an (O-Ton Gerhard: „Die Elke hat den Stefan ang’himmelt!“)! Und das beim Gehen in den Bergen, wo man immer auf den Boden zu gucken hat! Während es Elke nicht weiter aufgefallen wäre, ereignet sich dieser intime Moment im unpassendsten aller Augenblicke: Denn der Tiroler hat’s gesehen! Und erleidet einen Schock, dass jemand aus seiner Gruppe beim Wandern nicht auf den Boden guckt. Er rügt Elke dermassen, dass sie vor Schreck beinah stürzt und sich womöglich ein Bein gebrochen hätte. Fortan wird Gerhard täglich einmal wiederholen, dass man auf den Boden zu gucken hat, und nicht wie die Elke, den Stefan anhimmeln soll …
Das anschliessende, wohlverdiente Essen in Andratx – es gibt „Sopa Mallorquina“ – schmeckt lecker, der Wein fliesst reichlich. Statt Caracho gibt’s heute Kräuterschnaps, was der Stimmung keinen Abbruch tut.
Der Tiroler verhängt striktes Alkoholverbot für den nächsten Tag!
Tag 3: Von Fincas und Wanderferien
Oder: Wandern kann so schön sein
Santi el Bueno, der Torero des Busses, der Mann ohne Nerven, der Dompteur des Lenkrads, schlechter bezahlt als Lokführer und erst recht als Piloten, Santi el Bueno steuert die ASI-Gruppe sicher und unversehrt durch die traumhafte Kulisse der Sierra, hinunter die gewaltigen Serpentinen der Sa Calobra in die einsame Bucht von Cala Tuent. Die Wandergruppe hat heute den Verlust von Elke zu beklagen, der anlässlich ihres gestrigen Geburtstags so viel Schnaps verabreicht wurde, dass es ihr heute grottenschlecht geht, und sie das Bett hüten muss. Gerhard ist deshalb den ganzen Tag geknickt. „Bauer“ fehlt.
Die 20 Wanderfreunde umgehen geschickt die Stelle, wo bereits einige Leute unfreiwillig im Meer gelandet sind und wandern hinter dem Gschnaller-Gerhard einen wunderbaren Küstenweg entlang in Richtung Finca. An diesem Tag treffen sie zur Abwechslung einmal auf andere Wandersleid, die diesen Weg auch kennen und gehen. Bei dieser Gelegenheit erfährt man dann die goldenen Regeln des Grüssens im Gebirge – vor allem was weibliche Wandersleid angeht: Zwei Kriterien sind entscheidend: 1. Grüsst sie?, 2. Hat sie die knöchelhohen Wanderschuhe an? Wehe, wehe, wenn beide Fragen mit „nein“ beantwortet werden …
Bei strahlendem Sonnenschein erstürmt man die Finca, trinkt frischgepressten Orangensaft, spricht Brot, Oliven, Pasta, Fleisch und Rioja ausgiebig zu. Dann kommt es zu erneuter Splittergruppenbildung, denn der Tiroler Meister hat seine Jünger gefunden: Von 20 Nichtrauchern sind plötzlich 3 zu Rauchern konvertiert und inhallieren am helllichten Tag auf der Finca-Terrasse. Auf diesen Schreck hin und auch, um die Steigung hoch zu den 1000jährigen Olivenbäumen nach dem Essen zu schaffen, muss ein Cremadillo-Schnaps her, dem alle präventiv gut zusprechen. So fällt der Aufstieg auch mehr oder weniger (mas o menos) leicht.
Unterwegs verweilt die Gruppe kurz in Gedenken an den tragischen Unfall vor drei Jahren am Monument des Stefan, das von der Finca-Gemeinschaft gestiftet und feierlich aufgestellt wurde - genau an der Stelle, wo Stefan damals seine drei Bänder verlor und nebst Frau Barbara tapfer weiterhumpelte bis zu der Stelle, wo vor zwei Jahren noch kein Haus gestanden hatte. Wenn diese Gruppe nie ruhig ist, so hat sie an dieser geschichtsträchtigen Stelle eine einminütige Schweigeminute eingelegt und ist anschliessend dankbar, glücklich und geehrt ob der Teilnahme des Tapferen und inzwischen vollständig Genesenen an der heutigen Wanderung weitergepilgert.
Der Vorschlag des Tirolermanns, einen letzten Stopp am Mirador einzunehmen, zwecks kurzer Flüssigkeitszufuhr, kann leider nicht umgesetzt werden, hat doch das Mirador-Restaurant unentschuldigt heute geschlossen. Ausgedörrt und halbverdurstet kann nur der Witz des Tages die Wanderfreunde trösten: „Unterhält sich ein altes Tiroler Ehepaar …“
Beim Abendessen sind alle glücklich, eine strahlende Elke anzutreffen. Es geht ihr besser, so dass sie tatsächlich ihr silberfarbenes Glitzerkleidchen anziehen kann, um dem Zauberer zu assistieren. So begeistert sie zunächst als schwebende Jungfrau, bevor sie sich anschliessend auf wundersame Weise den Schwertern des Zauberers zu entziehen vermag und völlig unversehrt wieder aus der Zauberkiste auftaucht und dem begeisterten Publikum noch eine Tanzeinlage schenkt. Standing Ovations!
Tag 4: Auf den Spuren von Erzherzog Ludwig Salvator
Oder: Der lange Weg nach Valdemossa
Jeglicher Zauber hat nichts geholfen: Elke erleidet einen dramatischen Rückfall und muss mit 38 Grad Fieber und Schüttelfrost das Bett hüten. Nur dank des eilends herbeigeeilten deutschen Arztes wird sie diesen Tag überstehen und die Reise fortsetzen können!
Die Wanderfreunde werden heute von Santi el Malo todesmutig in den Norden kutschiert und haben eine weitere Bergetappe vor sich: Es gilt, den Gipfel des Teix (gesprochen „Däsch“) zu erklimmen. Der Tiroler beschliesst, einige Schikanen einzubauen, und so nimmt man des öfteren einmal eine senkrecht nach oben führende Abkürzung – gilt als Training für die Königstour. Beim Wort „Gipfel“ hat Finca-Wanderin Bettina inzwischen gelernt, dass dieser sich am besten in unmittelbarer Nähe des Tirolers erreichen lässt, und so bemüht sie sich tapfer, dem leichtfüssigen, sicheren Tritt des Mannes aus den Bergen zu folgen. Und siehe da, die Mission gelingt: Die Wahl-Zürcherin erklimmt den Teix und tut es mit einem lauten Gipfelschrei kund. Es folgt allgemeines Gipfel-Gewusel in einem Durcheinander aus Berg-Heil und Gipfel-Schnaps. Alle angetretenen Wandergesellen haben es geschafft, den Teix-Gipfel zu erklimmen. Nur „Bauer“ fehlt.
Doch wer gedacht hat, das sei’s gewesen, der täuscht sich gewaltig, denn was jetzt folgt, kann auch als Gang nach Can(dem)ossa bezeichnet werden. Nicht nur dass es eine Felsschlucht gibt, in die jeder einzeln einzusteigen hat - Gerhard überwacht jeden einzelnen Schritt höchstpersönlich und hat sich zur Verstärkung und Absicherung sogar noch den turmhohen Charles als Bodyguard vor allem für die Weiberleid dazugeholt. Wie durch ein Wunder schaffen alle unversehrt den Abstieg und werden anschliessend sogar noch zu einer Stelle geführt, wo sich vor kurzem ein grusiger Absturz ereignet hat: Eine Wanderin ist ausgerutscht und abgestürzt. Mit einem Beckenbruch musste sie drei Stunden auf den Hubschrauber aus Barcelona warten. Ehrfürchtiges Schweigen. Aber die Wanderin hat alles gut überstanden und ist schon wieder mit dem Gschnaller-Gerhard unterwegs gewesen. Erleichtertes Aufatmen.
Jedenfalls hätte der Erzherzog Ludwig die Wege doch etwas fussfreundlicher ausstatten können – mag sich so mancher Wanderfreund gedacht haben. Es geht über Tonnen von Stein und Geröll, grosse, kleine, mittlere Steine. Steine, Steine, Steine. Hinab nach Valdemossa, wo schon der Pianist und die Schriftstellerin gelebt haben. Zwischenzeitlich verschlägt’s sogar dem Stefan die Sprache ob all dieser Steine. Doch irgendwann ist’s geschafft, das malerische Oertchen Valdemossa mit einem gar putzigen Restaurant ist erreicht. Man geniesst Speis und Trank (Arroz brut, an den sich nur drei Freiwillige – klar, dass es Ilse, Reimund und der Gerhard sind - heranwagen) und die Puppenstuben-Atmosphäre. Das drollige Lokal ist angereichert mit einigem Krimskrams und vielen Fotos und Zeichnungen. So stehen auch einige Bildchen von der Zeta-Jones rum – das ist die neue Gattin des Michal Douglas aus Hollywood und in dieser Funktion die Mitbesitzerin von „Estaca“, einem der Anwesen des heiligen Erzherzogs. Diese Finca hat der Douglas allerdings nur deshalb erhalten, weil er seinerzeit mit einer Mallorquinerin verheirat war. Würde er heute nicht mehr kriegen (die Finca)! Und mit der Zeta-Jones ist er so gut wie nie hier auf Mallorca … die ist sowieso wahrscheinlich nur so ein Durchschnitts-Haserl wie die Claudia Schiffer, die der Mann aus Tirol einmal in Palma gesehen hat.
An diesem Abend trennt sich dann die Spreu vom Weizen, denn die Königstour der Bergetappen steht für den nächsten Tag an: Wer gescheit ist, geht früh schlafen! Nur eine ganz kleine Splittergruppe, angeführt von wem anders als von Stefan und Paul kann es wieder einmal nicht lassen und muss nach dem Abendessen noch auf Entdeckungsreise zu Franco, dem Lottomillionär auf Mallorca, gehen. Trotz seiner Euro-Millionen steht er immer noch jede Nacht in seiner Kneipe und lässt es sich auch an diesem Abend nicht nehmen, die ASI-Splittergruppe auf deutsch zu begrüssen. Stefan übernimmt es dann, die Anwesenden auf den morgigen Tag einzustimmen und breitet sein volles Repertoire an Gruselgeschichten rund um den Todesberg Masanella und das Todeskloster Lluc aus: Keiner der Gesellen wird in dieser Nacht ein Auge zutun!
… ausser Stefan, der auch heute nacht von Dolores im Bunny-Kostüm träumt, die ihm nun endlich das gigantische Schoko-Osterei bringt und will, dass es ihm nicht nur gut, sondern sehr, sehr gut geht …
Tag 5: Die glorreichen 11
Oder: Rundwanderweg ums Todeskloster
Es gibt einen weiteren dramatischen Ausfall: Barbara ist inzwischen so betrübt über die ständigen Phantasien ihres Gatten, dass sie ernsthaft erkrankt und strikt das Bett hüten muss. Aufopferungsvoll serviert ihr Stefan 24 Stunden lang Tee und Toast – isst selbst zwischendurch nur ganz wenig Creme brulée - und gelobt, Dolores abzuschwören und im Todeskloster Busse zu tun.
Indes naht die Stunde der Wahrheit für die Wandergruppe: Santi el Bueno macht Gerhard el Malos Drohung wahr und bringt die Besatzung ins unwirtliche Gelände beim Todeskloster Lluc. Hier gilt es nun, eine möglicherweise schicksalhafte Entscheidung zu treffen: Gehe ich zum Todesberg Masanella oder rund ums Todeskloster Lluc? 11 tapfere Wandersleid (darunter 4 Weiberleid, „Bauer“ fehlt) ziehen die Schnürsenkel ein letztes Mal stramm und folgen dem Mann aus Tirol in den Berg. Keiner spricht aus, was alle denken: Wird man sie jemals wiedersehen?
Doch auch die Alternativtour hat es in sich – handelt es sich doch um den dreistündigen Wanderweg rund ums Todeskloster Lluc. Und als wäre das nicht schon gefährlich genug, so vermisst man hier natürlich schmerzlich die Präsenz des Original-ASI-Wanderführers aus Tirol. Ein neuer Wanderführer muss kurzfristig erkoren werden, der allerdings nicht nur ein sicherer Bergwanderer sondern auch ein talentierter Kartenleser im hundsmiserabel beschilderten Dickicht rund um das Todeskloster sein muss. Ohne vorgreifen zu wollen: Reimund wird dieser Aufgabe vollauf gerecht werden!
Beinharte drei Stunden Wanderung später, erreicht die Splittergruppe „Todeskloster“ wieder Lluc. Nach diesen Strapazen hat sie sich eine Stärkung bei Kaffee und Kuchen redlich verdient und verliert sich dann im Kostergarten und beim Kloster-Shopping. Erst das von Santi el Bueno souverän ausgewiesene Restaurant oberhalb des Busparkplatzes ist der Ort, an dem sich die todesmutigen Rundwanderer wieder einfinden. Doch nun beginnen die Stunden des Bangens und Zitterns: Wie mag es der Splittergruppe „Masanella“ ergangen sein? Wie ist das Wetter – werden Sturm und Regen die Gruppe dramatisch behindert haben? Haben sie sich Schutz suchend in einer Höhle verkriechen müssen? Sind sie gar dem mallorquinischen Yeti begegnet? Diese und ähnliche Fragen mögen den Wanderfreunden durch den Kopf gegangen sein, auch wenn ein jeder die tiefe Besorgnis vor den Wanderkameraden zu verstecken versucht hat.
Und da – ein blauer Wams blinkt in der Ferne. Das muss der Gschnaller-Gerhard sein! Sie kommen! Doch wie viele mögen es geschafft haben? Wie viele Verletzte mag es geben? Es ist absolut unglaublich: Alle 11, die ausgezogen waren, den Masanella zu erstürmen, haben es geschafft! Freudetrunken fällt man sich in die Arme und veranstaltet ein Freudenfest. Mehr oder weniger (mas o menos) erschöpft, erreichen alsdann alle Wanderfreunde die holde Gastwirtschaft und sprechen Speis und Trank ein weiteres Mal gar kräftig zu. Giganten der Berge, Helden der Anhöhe, alle sind im Freudenrausch:
- Wein- und Carachogenuss führen bei (Hannelores) Wolfgang zu Halluzinationen, so dass er
Wienerwalzermusik hört.
- Ilse erleidet Wahnvorstellungen und meint, sie müsse mit Wolfgang tanzen.
- Wolfgang und Ilse liegen sich in den Armen und wiegen sich im imaginären Walzertakt.
- Hannelore, wie immer der Fels in der Brandung, stützt ihren Mann auf dem Weg zum Bus,
so dass auch er den sicheren Hort zu erreichen imstande ist.
- Der Tiroler – von den Auswirkungen dieses Tages sichtlich beeindruckt – beschliesst, es bei
nächster Gelegenheit dem Wolfgang nachzutun und mit Ilse ein Tänzchen zu wagen.
Schliesslich mag er Frauen, und Reimund scheint kein Haudegen zu sein!
Der Gschnaller-Gerhard findet, dass dieser Tag einen würdigen Abschluss verdient: „Witz des Tages: Treffen sich drei Tiroler nach vielen Jahren wieder …“
Tag 6: Abschluss(tor)tour
Oder: Der Llubre-Schwur
Ja, die Knie … die Waden … die Oberschenkel … sie schmerzen. Diverse Füsse sind gepflastert. Aber was heisst das schon, wenn ein starker Wille vorhanden ist: Zum ersten Mal seit Tag 1 ist die Wandergruppe komplett bis auf „Bauer“, der fehlt. Ein letztes Mal geht’s durch den 6-Euro-Fuffzig-Tunnel von Soller, hoch in die Sierra.
Jedoch - der Schein trügt: Während einige Wandergesellen auf einen lockeren Abschlusstag spekulieren, ahnen andere bereits, dass auch heute keine leichte Bergetappe ansteht. Nach erster Rast im Schutz eines Felsens deutet der Gschnaller-Gerhard dann auf einen Berg, den der ein oder andere denn doch lieber ignorieren würde: Der Llubre erstreckt sich vor der Wandergruppe und zeigt zuweilen unverhüllt sein felsiges Gesicht. Finca-Fan Bettina ahnt, dass nur der Mann aus Tirol sie auf diesen Berg bringen wird und nimmt die Pole-Position hinter ihm ein, während Reimund die Verfolgung aufnimmt und seine Frau Ilse im hinteren Teil der Schlange Aufstellung nimmt. Gleichmässigen aber stetigen Schrittes erklimmt der Gschnaller-Gerhard den Berg, das sanfte Geblubber der Wanderer verstummt nach und nach, um von heftigem Keuchen und Japsen abgelöst zu werden. Der ein oder andere Schweisstropfen bildet sich, doch das Grüppchen nähert sich stetig dem Gipfel. Die ersten haben bereits das Plateau knapp unterhalb des Gipfels erreicht, wo der Tiroler seine Schäfchen durchzählt, als mit Zeter und Mordillo die Ilse Fuss auf den Fast-Gipfel setzt und mit lauter Stimme gelobt: „Reimund, ich schwöre: Dies ist der letzte Gipfel, auf den ich klettere! Aus diesem Alter bin ich raus, ich brauch das nicht mehr.“ Das macht Eindruck, und eine Weile schweigen alle ehrfürchtig, bevor sie die Wanderstöcke abstossen und freihändig die letzten paar Meter zum Gipfel erklimmen.
Auf dem Llubre angekommen freuen sich die Weiberleid, von Gerhard geküsst und mit „Berg-Heil“ begrüsst zu werden. Und die Männerleid erhalten einen kernigen Händedruck. Anschliessend verteilt sich die Besatzung malerisch auf dem schmalen Gipfel: Stefan, Barbara und (Gabys) Gerhard turnen unbekümmert auf dem höchsten Punkt herum. Volker und Anne sitzen eng umschlungen in einer romantischen Felsecke. Marianne und Verena suchen nach einem Ort, wo sie Pipi-Pause machen können. Wolfgang und Marianne haben es sich gemütlich gemacht und freuen sich drauf, den Enkeln Bericht zu erstatten. Der Gschnaller-Gerhard wuselt mit dem Gipfelschnaps von Grüppchen zu Grüppchen und mahnt einmal mehr, die Becher zu teilen, weil er zu wenig dabei hat. Anita fragt sich, warum ausgerechnet sie am Abgrund sitzen muss, während Gatte Paul ihr die Kappe zuwirft. Charles hat es wieder einmal geschafft, sich unsichtbar zu machen. Ilse und Reimund geniessen den letzten Gipfel ihrer Wanderkarriere. Herbert spaziert auf dem Gipfel herum und macht Fotos. Gaby verteilt noch immer Krokant-Ostereier. Bettina bewegt sich keinen Zentimeter mehr weiter und bereitet sich mental auf den Abstieg vor. Elke grübelt nach, warum sie gestern noch krank war. Karin und Wolfgang lächeln.
Der Mann aus Tirol weist ein letztes Mal auf die Schönheit der Aussicht von diesem Berg aus hin und spaziert dann den Gipfel herunter zu den Stöcken. Anschliessend geht es weiter im Gänsemarsch den Berg herab ins Tal zu Schafen, Kühen, Möwen, Eseln und einer Schildkröte. Unter blauem Himmel und mit dem Llubre im Hintergrund werden diverse Gruppenfotos gemacht – auf keinem einzigen wird später die ganze Gruppe zu sehen sein, aber das nur nebenbei.
Santi el Bueno wartet und fährt die Wanderfreunde runter nach Port de Soller, wo das grosse Finale stattfindet: Mittagessen im Freien, bei Sonnenschein und mit Sicht aufs Meer. Die Tapas munden vorzüglich. Ebenso der Rot- und Weisswein. Beherrschendes Tischgespräch ist der dramatische Gewichtsverlust von Stefan, der es dank Fastenwandern zu einer Gewichtsabnahme von 7 kg geschafft hat.
Schliesslich kommt der grosse Moment, an dem der Gschnaller-Gerhard die Diplome, Wandernadeln und Sticker verteilt – nicht ohne einen jeden Bergwanderer mit ein paar Spezialkommentaren zu versehen. Alle sind stolz und gerührt, ein Hauch von Hollywood liegt in der Luft von Port de Soller! Doch auch dieses Mahl muss einmal zu Ende gehen und so wandert man am Strand entlang zurück zum Bus, wo der gute Santi dank Tirolerscher Intervention die Strapaze der C 710 ein letztes Mal auf sich nimmt und der ASI-Wandergruppe einen weiteren Höhepunkt beschert: Allerletzter Fotostopp mit Blick auf des Erzherzogs Liebesmonument Son Marroig und die Felsnadel Na Foradada. Es könnte nicht schöner sein!
Letzte Heimfahrt. Letzte Hotelankunft. Erschöpft aber glücklich begeben sich die Wanderfreunde auf ihre Zimmer, während der Mann aus Tirol seinen Rucksack absetzt, sich langsam eine Zigarette anzündet und leise vor sich hinlächelt - er hat sich ein schönes Glas Rotwein redlich verdient!