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Rote Fabrik und Kirchen voller Musik

Sonntagnachmittag bei Pommesgeruch und Stimmengewirr in der Roten Fabrik. Direkt hinter der Eingangstür laufe ich in eine der beiden Menschenschlangen rein, die von der Theke weit ins Restaurantinnere reichen. Kurz zögere ich, dann suche ich nach dem Schlangenende und reihe mich geduldig ein für meine Bestellung.

 

Ich war nie ein grosser Fan der Roten Fabrik, zu alternativ für meine Verhältnisse, nicht meine Welt. Bis ich die Biergarnituren draussen vor dem Fabrik-Restaurant und direkt am See lieben gelernt habe - eine Oase am See mit Selbstbedienung und normalen bis trendigen Leuten. Ein krasser Gegensatz zur keine 300 Meter entfernten Seerose, wo sich schicke Menschen auf edlem Lounge-Mobiliar räkeln.

 

Allerdings war mein vergangener freier Freitag hier, in eben jener Roten Fabrik, wohltuender als dieser Bienenstock heute. Es waren wenig Leute hier am Freitagnachmittag, entspanntes Personal, ruhige Vorbereitung des "Nachtessens", wie sie sagen, sowie des späten Fabrik-Konzerts. Es wurde langsam dunkel, als ich mich dann gen Innenstadt aufmachte.

 

Es ist anders, ob man nach einem Tag im Büro noch zu einer Verabredung hetzt und die Sinne ausgeknipst hat. Oder ob man entspannt durch die Stadt schlendert und sich auf einmal wundert, wo die Musik auf dem Fraumünsterplatz herkommt. Zunächst klang da laute, schräge Musik. Sie kam aus einem Zelt mitten auf dem Platz. Tja, es ist Fastnacht in Zürich! Das reformierte Zürich feiert erst an diesem Wochenende.

 

Doch es mischen sich leise, bluesige Töne unter die Schunkelmusik. Kann das ein Saxophon sein? Beim Fraumünster ist ein Kreuzgang, hier feiern Menschen in schwarzer Abendgarderobe an Stehtischen und bei Champagner am Freitagabend ein Fest. Und magisch ziehen mich die beiden Saxophonspieler an, die da im Kreuzgang stehen und dieses wunderbare Instrument erklingen lassen, während das Licht hinter ihnen die Wandgemälde mit den verschleierten Frauen erhellt.

 

Ich schlendere weiter durch die Innenstadt, bewundere einmal mehr diese prächtige Stadt, die sich unaufgeregt inszeniert. An der Münsterbrücke fallen mir die alten Laternen auf und der herrliche Blick aufs angestrahlte Grossmünster. Weiter geht’s zum Weinplatz und an der Limmat entlang. Kleine, liebevoll eingerichtete Läden mit Kunsthandwerk und Antiquitäten erfreuen das Auge mit ihren Auslagen. Eine dieser dicken, badenden Frauen oder aber eine der dünnen, barbusigen Frauen aus Ton hätt ich gar zu gerne.

 

Im kürzlich wieder eröffneten Restaurant Schipfe 16 werde ich dann erst mal meinen Freitags-Prosecco trinken und anschliessend essen. Alles stimmt für mich in diesem von der Stadt Zürich geleiteten Lokal, in dem Sozialhilfeempfänger und IV-Bezüger wieder ins Berufsleben integriert werden. Aufgetischt wird in einem denkmalgeschützten Haus an der Limmat - zu fairen Menü-Preisen.

 

Und wieder höre ich Musik, was ist heute bloss los? Es ist klassische oder Kirchenmusik, und sie muss aus der Kirche vor mir kommen, die ich nie beachtet habe. Die Augustinerkirche ist hell erleuchtet und Ort des Gesangs. Ich öffne die Kirchentür, trete ein und höre. Staunend setze ich mich in die letzte Reihe. Ein Orchester und ein Chor proben. Der Dirigent lässt einzelne Passagen singen bzw. spielen. Dazwischen lobt er und scherzt. Die Ensemblemitglieder fallen mir als mehrheitlich jung, heiter und gelöst auf. Welch eine Musik! Leider ist die Probe bald zu Ende, jetzt kann ich wenigstens die ihre Instrumente zusammenpackenden Musiker fragen: Ja, es war die Generalprobe. Das Konzert des Vokalensembles Bacchanto für das Requiem-Konzert findet am morgigen Samstagabend statt. Karten sind im Vorverkauf erhältlich. Besondere Momente gibt's gratis.

 


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