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Von Frankfurter Kranz und Eisernem Steg

Ich habe Frankfurt an einem grauen Freitag im Februar besucht. Mutti hat am Abend zu meinen Fotos verzückt gemeint: "Ei guck ema - wie schee Frankfurt is!" Kann man sich da vorstellen, wie diese Stadt erst bei schönem Wetter aussehen muss?

 

Das sage ich, waschechte Hessin, geboren aber im 20 Kilometer entfernten Bad Homburg. In Frankfurt studiert, gearbeitet, ausgegangen, unglücklich verliebt, erwachsen geworden. Nie hab ich die Leute verstanden, die sagen "Frankfurt ist schön". Noch im Dezember ist mir aufgefallen, wie verdreckt die Gegend beim Hauptbahnhof aussah. Jetzt war ich nur an  sauberen Touri-Orten. Und ich darf es trotzdem sagen: Welch eine spannende Stadt! Ich bin fast süchtig geworden, Frankfurt weiter zu entdecken.

 

Los geht's zur Mittagszeit in der "Fressgass". Der Name ist Programm, und ich entscheide mich für „Ebert’s Suppenstube“, ein kleines Steh-Restaurant und Take-Away mit unendlich vielen, lecker aussehenden Suppen nach Hausrezept. Welch coole Idee ist das denn von Herrn Ebert, der auch mal kurz vorbeikommt und nach dem Rechten sieht? Um mich rum, drinnen und draussen an den Stehtischen, schlemmt man genüsslich und aus Porzellantellern die Suppe mit einer Scheibe Brot. Und die gut angezogenen Frauen aus den umliegenden Büros teilen sicher mein Gefühl, in der Mittagspause schon ungesünder gegessen zu haben.

 

Wenige Meter weiter zur Alten Oper und zurück mit einem Abstecher zur Börse. Vor dem Gebäude mit Europaflagge im Angesicht des Brexit stehen Weinhändler mit ihren Verkaufsständen - es ist Markt. Und hinter dem Bullen auf dem Börsenplatz wird ein Schild sichtbar mit "Best Worscht in Town Brot". Sehr interessant, das werde ich dann nächstes Mal probieren. Am liebsten allerdings nicht nur das Brot, sondern vor allem die Worscht. Anmerkung für Nicht-Hessen: Worscht = Wurst.

 

Kurz hinter der Hauptwache und schon auf der Zeil fällt mir der Ballonverkäufer auf, der sich in der Mittagspause stärkt und seine "Worscht" bei einem Bratwurstverkäufer ersteht, der die Würste auf einem Bauchladen vor sich trägt. Ein Euro Fuffzig - mit Brötchen.

 

Weiter Richtung Main. Ich biege bei der Liebfrauenkirche links ab zum "Ort der Stille", keine zehn Meter vom Trubel der Grossstadt entfernt. Vor einer Marienstatue sind Dutzende Kerzen angezündet. Menschen beten, andere machen Fotos, Einheimische und Touristen, einige junge Asiaten. Ein Kirchenmann oder Hausmeister nimmt die abgebrannten Kerzen aus dem Lichtermeer und räumt auf. Ja, es ist still hier, warm und hell.

 

Und immer wieder beglücken mich die Blumenhändler mit ihren bunten Auslagen, die nach Sonne und Frühling aussehen!


Ich bin bei der Paulskirche angelangt, die nun besichtigt werden will. Ein runder Raum mit einem riesigen Wandgemälde empfängt mich. Rundum Bilder und Erklärungen zur Bedeutung der ehemaligen Kirche, in der ab 1848 die erste frei gewählte deutsche Volksvertretung tagte und die 1944 zerbombt wurde. In der Paulskirche wird heute jährlich der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Ein Film zeigt die Ereignisse über mehrere Jahrhunderte. Aber es zieht mich bald weiter.

 

Auf dem Römerberg empfängt mich ein Gaukler im historischen Gewand und auf einem Schemel freundlich und lächelt für die Asiaten und für mich. Im Römer hinter ihm, dem altehrwürdigen Rathaus, hat meine Schwester letztes Jahr geheiratet. Ich war Trauzeugin. Vor dem Römer haben wir in der Sonne ganz viele Bilder gemacht. Schöne Erinnerungen.

 

Ich lasse die Schirn-Kunsthalle mit Magritte-Ausstellung links liegen. Vergesse sogar, ins Schirn-Café zu gehen - Ort unzähliger Ausgeh-Abende als Studentin in den Neunzigern ... mit Pavarottis "Nessun Dorma" in unvergesslichem Klang über die Turbo-Lautsprecher durch die Weiten des riesigen Cafés getragen.

 

Mein Ziel heute ist der Main mit einer seiner bekanntesten Brücken. Vorher allerdings Einkehr ganz spontan in einem winzigen Café kurz vor dem Flussufer. Die Konditorei-Auslage im „Condit Couture“ ist gar verführerisch, es zieht mich rein trotz Hochtischen und wenig Gemütlichkeit auf 5 mal 5 Quadratmetern. Mein Blick verfängt sich in der Kuchenauslage in einem Prachtwerk aus Krokant und Buttercreme: "Sie haben Frankfurter Kranz", entfährt es glückselig meinen Lippen. Es war der Lieblingskuchen meines Vaters. Rein pro forma frage ich noch nach den weiteren Hausspezialitäten, verzichte auf der Bethmännchen und widme meine volle Aufmerksamkeit und alle Geschmackssinne dem Frankfurter Kranz auf meinem Teller. Ob ich ein Foto des Kuchens machen dürfe, frag ich den jungen Konditor. "Aber selbstverständlich", meint er. Und während er mit dem süssen Naschwerk für mich posiert, erzählt er, dass der Frankfurter Kranz so heisse, weil er eine Krone darstelle. Zur Ehre von Frankfurt als Krönungsstätte der Kaiser: Das Krokant draussen stelle das Gold dar, die roten Kirschen innen die Rubine! Frankfurter Kranz, da kann die Sachertorte einpacken. 

 

Mein Ziel, der Eiserne Steg, besteht nicht nur aus Eisen, sondern auch aus sehr viel Metall. Hunderte von Liebesschlössern hängen an der Brücke und verleihen dem dunklen Eisen Glanz und Farbe. Und Romantik natürlich. Was mag aus Toni & Anne 19.08.2011 geworden sein? Sind sie noch zusammen? Haben sie Kinder? Ich mache Fotos in alle Richtungen: hier die Skyline, dort hinten der Dom und ganz in der Ferne der gewaltige EZB-Tower. Auf der andern Seite das schöne Sachsenhausen, wo ich’s heute leider nicht mehr hin schaffe. Denn ich will ja zu Herrn Draghis Anwesen. Ich wusste nicht, dass das EZB-Gebäude so dermassen hoch ist. Am Mainufer entlang marschiere ich dorthin. 


Meine Schwester hatte mir gesagt, es gebe bei der EZB ein tolles Lokal. Und wahrlich, dem ist so: das Oosten. Fällt mir schwer, es zu beschreiben – eine Kranlandschaft zum Restaurant verwandelt. Terrassen nach allen Seiten und auch oben drauf. Voll verglast, so dass ich selbst drinnen die Skyline ganz hinten am Main erkennen kann. Hier lässt sich’s aushalten.

 

Doch es ist Zeit, zurückzugehen. In der Liebfrauenstrasse lerne ich den Obdachlosen Rainer kennen, der stadtbekannt zu sein scheint, weil er dort regelmässig seine Eisenbahnkollektion aufbaut. Kinder stehen fasziniert davor, Mütter geben ihnen Geld, um es an Rainer weiterzugeben. Natürlich zahle auch ich für mein Foto. Er bedankt sich freundlich und steckt das Geld in das Portemonnaie, das er bei sich trägt. Später wird mir meine Schwester erzählen, dass Rainer - seit er bestohlen wurde - das Geld immer bei sich trägt, es nicht mehr in einem Körbchen auf dem Boden sammelt. Rainer isst einen Döner, wie mag es ihm gehen? Ich weiss nicht, ob das Teil, was hinter ihm steht und wo eine Decke drauf liegt, vielleicht sein Bett ist. Welch ein Leben. Mir fällt auf, dass ich heute weniger Obdachlose sehe als an Weihnachten. Vielleicht sind sie woanders.

 

Mein Frankfurt-Sightseeing nähert sich dem Ende. Ich treffe mich mit meiner Schwester. Von der Terrasse des Bürogebäudes hat man einen grandiosen Blick auf die Fressgass und die Skyline von Mainhattan.

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