Die Seilbahn wird immer langsamer. Erst jetzt fällt mir auf, wie brutal hoch wir sind. Die atemberaubende Sicht auf schneebedeckte Berggipfel mit nebelverhangenen Seen dazwischen hat mich perfekt abgelenkt von meiner zeitweisen Höhenangst. Genauer gesagt das Fotografieren hat mich abgelenkt. Jetzt wird mir die Steilheit unserer Lage – quasi senkrecht am Berg – bewusst. Wackelpudding sackt in meine Beine. Doch gleich ist es geschafft: Willkommen auf der Bergstation Pilatus-Kulm 2073 Meter über dem Meer.
Wir werden empfangen von einer angenehm beheizten Halle mit Café, Sitzgruppen links und rechts entlang der Fensterfront. Doch es zieht mich die Treppe hoch in den ersten Stock zur Aussichtsplattform. Und raus geht’s - den Blick ungläubig von links ins Berg-Gipfel-See-Nebel-Tal nach rechts hoch zum Bergmassiv schweifen lassen. Tief durchatmen. Die Plattform ist weitgehend schnee- und eisfrei, was ich zufrieden zur Kenntnis nehme. Stille, wenig Leute hier oben. Blick zurück auf das runde Gebäude, Hotel Bellevue. Bond kommt mir in den Sinn. Ich gehe wieder rein, marschiere runter und durch die „Lobby“, an den üblichen Juwelierläden vorbei sowie an einem Laden mit Schweiz-Souvenirs und Klamotten der Marke „Pilatus“. Und bevor ich wieder raus, auf die Hotelterrasse, gelange, entdecke ich etwas kolossal Schönes: Liegestühle aufeinandergeschichtet links ... eine Kiste mit dicken Schweizer-Armee-Decken rechts. Es war eine gute Idee, hier rauf zu fahren.
Ich richte mich auf dem Teil der Sonnenterrasse ein, wo kein Gitter den Blick aufs wundersame Panorama verdeckt. Nicht in Versuchung komme ich, den Weg zum Gipfel hinter und über mir zu erklimmen – es könnte glatt sein. Nein. Liegestuhl! Und so begrüsse ich liebevoll meine Sonnencreme und wünsche meiner Sonnenbrille ein gutes neues Jahr! Wie schön, dass wir nach Monaten in hellem und dunklem Grau wieder glücklich zusammen gekommen sind. Die nächsten zwei Stunden im Liegestuhl gehören mir.
Über uns Sonnenanbetern ziehen nur ab und an ein paar Wolken daher. Eine Drohne kreist durch den Luftraum und dröhnt vor sich hin. Ein Motorflugzeug dreht seine Bahnen. Die Menschen hier oben sind friedlich. Viele Asiaten natürlich, sonst höre ich englisch, lasse mich von einem Griechen fotografieren, ebenso von einem spanisch sprechenden Südamerikaner. Ich höre deutsch und schweizerdeutsch – letzteres vor allem von den zwei jungen, sehr sportlich aussehenden Frauen, die aus der abgesperrten Schneezone heraufmarschiert kommen mit riesengrossen Rucksäcken – wissen die Götter, was die zwei schon für eine Expedition hinter sich haben.
Das kleine, asiatische Mädel mit den schicken UGC-Stiefelchen und dem modischen Mäntelchen mit Pelzkapuze ist fasziniert von der kleinen vereisten Fläche neben dem Schneehaufen. Konzentriert und fasziniert probiert sie aus, wie rutschfest ihre Schuhe sind. Leider lenkt die Mutter sie immer wieder ab, will fotografieren - sie stellt ihre Tochter woanders hin zum Foto mit Landschaft im Hintergrund. Die Kleine lässt es stoisch über sich ergehen, nicht ohne sich wie selbstverständlich immer wieder der Eisfläche zu nähern. Dann kommt ein gleich grosses Mädel mit dunkelblonden Locken und Anhang vorbei. Der kleinen Blonden wird von der Mutter aufgetragen, der kleinen Asiatin einen Kuss zu geben. Dafür nimmt meine kleine Asiatin denn auch mal die hellen Locken der Anderen in die Hand und zupft daran; immer noch stoisch, ihr Gesicht bleibt ernst dabei. Anschliessend widmet sie sich wieder dem interessanten Boden auf der sonnigen Aussichtsplattform und tippelt die Abflussrinne entlang den Eltern hinterher.
Zurück in der Gondel sehe ich, dass es eine schicke Sitzgruppe ganz vorne gibt. Ohne zu zögern, setze ich mich neben das Paar aus Virginia, wir machen ein Selfie. Im Sitzen ist die Runterfahrt ziemlich entspannt, scheinbar weil kein Wackelkontakt zu den Beinen entsteht. Ich drehe ein kurzes Video, während wir uns einem Masten nähern. Das mulmige Gefühl im Bauch gibt der Film zwar nicht wider, man ahnt es nur an unserem Kreischen.
Nachmittagssonne in Luzern. Die Berge zum Greifen nahe. See, Kapellbrücke mit Pilatus im Hintergrund. Weisswein zum Apero aus Luzern? Warum nicht. Natürlich schmeckt er, an diesem Tag.
p.s.: Freitags-Blog kurzerhand auf Samstag verlegt. Besser so.
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