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Kein Tag für Wassernixen

Meide die Stadt! Jedenfalls sonntags. Jedenfalls im Januar. Jedenfalls wenn Du keinen klaren Plan hast.

 

Ein improvisierter Sonntag. Ich packe den Badeanzug ein. Das allein ist eine Erwähnung wert. Doch, ich sehne mich wirklich nach warmem Nass und bin entschlossen, mich sportlich zu betätigen ... falls ich überhaupt noch schwimmen kann. Ziel ist das Stadtbad Zürich, in dem ich noch nie drin, an dem ich aber schon oft vorbeigefahren bin. Dachte ich jedenfalls.

 

Es beginnt damit, dass Google mir eine Tramverbindung ausspuckt, die sagt, Helvetiaplatz raus. Da ist rechts und links allerlei, das Volkshaus, allerdings kein Stadtbad zu sehen. Also zu Fuss auf den Weg, weit weg isses nicht, wenn auch die ein oder andere Tramstation zielnäher gewesen wäre. Von Strassenseite Sihlstrasse sehe ich kein Schild zum Hallenbad oder gar einen Eingang. Schliesslich prangt es aber vor mir „Hallenbad City“. Feuchte Wärme, Chlorgeruch und ein Mann an der Kasse empfangen mich. Wenn ich noch eine kleine Hoffnung auf einen Spa-Bereich hatte, jetzt stirbt sie. Durch die Glasfront sehe ich ein riesiges Schwimmbecken mit abgesteckten Bahnen, auf denen nicht nur viel Schwimmverkehr herrscht, sondern wo's auch nach ziemlichem Tempo aussieht. Hmmm … ungünstig.

 

So frage ich also erst mal, ob ich mir bitte Bade-Latschen ausleihen könne. Denn meine Flipflops hab ich dummerweise vergessen. Nein, Badeschuhe hätten sie nicht, entgegnet der Mann freundlich. Sei aber kein Problem, viele Leute liefen barfuss, alles sei sauber. Wenn er wüsste, wie elegant ich mich barfuss auf rutschigen Flächen bewege .... "Wissen Sie, ich hab sehr empfindliche Füsse", erkläre ich ihm. Der Kassenmann zieht eine Schublade auf, holt einen Plastikkasten mit allerlei Utensilien raus und bietet mir etwas für meine Füsse an: Er packt zwei blaue Plasiktüten aus - die, mit denen man am Flughafen durch die Sicherheitskontrolle schleichen muss, so sie einem die Schuhe aufs Rollband befördert haben.

 

Vor meinem geistigen Auge entsteht nun das Stilleben von Bettina im stilvollen türkisfarbenen Einteiler, mit Plastikfolie fast Ton-in-Ton um die Füsse, wie sie sich grazil durch die Wasserlachen bewegt, in der steten Zuversicht, dass die blauen Tüten an den Füssen ganz sicher rutschfest sind! Ich beschliesse, das Unternehmen Wassernixe abzublasen.

 

Was jetzt? Mein Ursprungsplan war das Asia Spa im Sihlcity gewesen. "Nach 9 Jahren hat das Asia Spa geschlossen. Wir bedanken uns bei unseren Gästen." Das war der Auftakt heute. Zum Glück hatte ich es noch online gecheckt. Und tschüss Du guter, uneingelöster Gutschein!

 

Mir ist jetzt nach warm und gemütlich - sonntags in Zürich. Die Stadt ist ausgestorben. Alle Zürcher sind in den Bergen zum Skifahren oder gehen ihrem Sport nach. Oder sie lassen sich massieren - zum Beispiel im Labo-Spa, an dem mich mein Weg vorbeiführt. Selbstverständlich ist spontan kein Termin frei. Aufwärmen im Kaufleuten-Café ist auch nicht möglich. Geschlossen.

 

In der Bahnhofstrasse angekommen, fühlt es sich an, als seien nur ein paar Asiaten mit mir unterwegs. Aus Enttäuschung über die geschlossenen Geschäfte knipsen sie die Baustellenplakate vor Bucherer. Aber weiter: Warm ... gemütlich ... Milchbar? Ich nähere mich über den Innenhof einem dunklen Café. Nur die Felle draussen auf den Stühlen lassen hoffen, dass drinnen im Dunkeln Menschen sitzen. Der Thekenraum ist stockdunkel und leer. Doch da, ein Kellner taucht auf und bestätigt, dass geöffnet sei. Doch gemütlich ist auch noch was Anderes. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, den Sonntag in einem Starbucks zu beenden. Doch ich gebe noch nicht auf!

 

Das ebenfalls dunkle, kalt anmutende Metropol kaum eines Blickes würdigend, vorbei an Frauenbadi und Bauschänzli in Winterstarre, marschiere ich entschlossen über die Quaibrücke. Café Felix ist das Ziel, wo ich geduldig auf meinen Platz ganz hinten in der Ecke, aber im gemütlichen Sessel, warte. Das Stimmenwirrwarr um mich rum wird beim Schreiben leiser. Junge Leute, alte Leute. Hauptsache ein paar Leute heute, an einem Januar-Sonntag in Zürich.

 

Nachtrag:

 

Im Volkshaus scheint es tatsächlich das Stadtbad Zürich mit Hammam zu geben. Nächstes Mal geb ich nicht so schnell auf.

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