Ihre gertenschlanken, langen Beine stecken in einer Röhrenjeans, die ihre Fesseln zeigen. Sie trägt ultahohe, silberne Pumps mit Pfennigabsatz. Ihren Oberkörper verhüllt ein Mantel, nur die langen Haare sind sichtbar. Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt. Sie geht eng eingehängt bei einer Frau, vielleicht ihre Mutter. Mir fällt die junge Frau auf wegen der halsbrecherischen Schuhe. Und weil alle sie anglotzen.
Samstagnachmittag in der Edel-Einkaufsstrasse von Mailand - Via Napoleone. Eng an eng schlängeln sich die Massen durch die schmale Gasse, in der links und rechts die Guccis, Pradas, Diors einen Shop anzubieten haben.
Da stellt sich ein junger Typ flugs neben sie, und zwar so, dass sein Kopf ganz nah bei ihrem ist. iPhone vor die Gesichter gehalten und Click, endlich mal wieder ein Selfie. Diesem Paparazzi muss man lassen, dass er die Röhrenjeans-Dame gefragt hat. Nun öffnen sich alle Schleusen. Eine Welle erfasst die Via Napoleone. Etwa ein Selfie pro Meter wird gemacht. Rücksichtslos. Die Selfie-Gemeinde - ich denke, es sind alles Männer - rennt zu ihr, hält Schritt und: Click. Werk erledigt! Sie versucht, unbehelligt weiterzukommen. Ihr ZIel ist erreicht, als sie durch ein grosses Tor schlüpft und weiterzieht. Davor steht eine ganze Fotografenmeute - scheinbar haben sie auf sie gewartet. Wenigstens keine Selfies mehr. Die Frau tut mir leid. Will man so berühmt sein?
Da ich keinen Plan habe, wer das wohl war, frage ich zwei italienische Passantinnen. Sie sagen mir den Namen, der mir null sagt. Ich frage: "Musica?", Antwort: "No!" "Actrice?" - "No!". Die Frauen merken, dass mein italienischer Wortschatz zur Neige geht und sagen lakonsch "niente". Beide Frauen lachen, und eine bewegt den Hintern von links nach rechts: "Niente."
Aha - das hab ich verstanden. Dann hoffen wir mal, dass es das wert ist!
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